Aktuelles zur Expatriatebesteuerung

Zusammenveranlagung bei fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht - Berechnung der Einkunftsgrenzen

Nach einem Urteil des BFH ist ein negativer Nutzungswert einer eigengenutzten Wohnung auch dann nicht in die Berechnung der Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG einzubeziehen, wenn der Nutzungswert der eigenen Wohnung im Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen steuerbar ist. Dagegen ist bezogenes (ausländisches) Arbeitslosengeld in die Berechnung einzubeziehen. Dies gilt auch dann, wenn vergleichbare Einkünfte (Arbeitslosengeld nach deutschem Recht) steuerfrei wären (BFH v. 1.10.2014. I R 18/13).

Dem Urteil liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde: Die in den Niederlanden lebenden Eheleute mit deutscher Staatsangehörigkeit beantragten auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 EStG i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer. Das Finanzamt verweigerte die Zusammenveranlagung, weil sowohl die sogenannte relative als auch die sogenannte absolute Wesentlichkeitsgrenze (§ 1 Abs. 3 S. 2 EStG) der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte, nämlich der in den Niederlanden erzielten Einkünfte, überschritten wurde.

Bei der Berechnung dieser sogenannten Wesentlichkeitsgrenzen berücksichtigten die Eheleute einen Verlust aus dem Nutzungswert der in den Niederlanden gelegenen selbstgenutzten Immobilie, da der Nutzungswert der eigenen Immobilie in den Niederlanden steuerbar ist. Nicht eingeflossen in die von den Eheleuten angestellte Berechnung ist niederländisches Arbeitslosengeld, das im Streitjahr bezogen wurde. Dieses Arbeitslosengeld ist zwar in den Niederlanden steuerpflichtig, die Eheleute haben es aber nicht berücksichtigt, weil vergleichbare Leistungen im Inland (Arbeitslosengeld nach deutschem Recht), nach deutschem Steuerrecht steuerfrei sind.

 Gesetzlicher Hintergrund

Grundsätzlich können nur Eheleute die Zusammenveranlagung beantragen, wenn beide Eheleute in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind (§ 26 EStG). Staatsangehörigen eines EU/EWR Landes, deren Ehegatte einen Wohnsitz in einem EU/EWR Land hat, wird aber durch das Zusammenspiel von § 1 Abs. 3 EStG und § 1a Nr. 2 EStG unter bestimmten Voraussetzungen eine Zusammenveranlagung gewährt, auch ohne das einer der Eheleute in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtig ist. Danach müssen die Einkünfte der die Zusammenveranlagung begehrenden Eheleute entweder

  • zu 90 % der Besteuerung in Deutschland unterliegen (sog. relative Wesentlichkeitsgrenze) oder
  • die nicht der Besteuerung in Deutschland unterliegenden Einkünfte weniger als das doppelte des Grundfreibetrags betragen (sog. absolute Wesentlichkeitsgrenze)

 Entscheidung

Der BFH hat im Besprechungsurteil zu Ungunsten der Eheleute entschieden, dass zur Berechnung der Wesentlichkeitsgrenzen das niederländische Arbeitslosengeld einzubeziehen ist, der Nutzungswert der selbstgenutzten Immobilie aber nicht. Der BFH führt in der Begründung dazu aus, dass die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG grundsätzlich in zwei Stufen erfolgt. In einer ersten Stufe ist die Summe der Welteinkünfte zu ermitteln. Diese Welteinkünfte sind in einem zweiten Schritt in die Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, aufzuteilen.

Außerdem ist zum einen die Höhe der Welteinkünfte (erst Stufe) nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln. Zum anderen ist der Begriff der „Einkünfte“ im Sinne von § 1 Abs. 3 S. 2 EStG dem deutschen Einkommensteuerrecht zu entnehmen. Deshalb kann der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung schon keinen Eingang in die Prüfung der ersten Stufe der Einkünfteermittlung finden, weil dieser Sachverhalt nicht einem der Einkunftstatbestände des deutschen Steuerrechts untersteht. Das (niederländische) Arbeitslosengeld ist dagegen bei der ersten Stufe zu berücksichtigen, denn es ist nach deutschem Steuerrecht steuerbar. Auf der zweiten Stufe der Einkunftsermittlung ist das niederländische Arbeitslosengeld aber nicht den inländischen Einkünften, sondern den niederländischen Einkünften zuzuordnen.

Unter Berücksichtigung dieser Einkünfteermittlung unterliegen weder 90 % der Einkünfte der Eheleute der Besteuerung in Deutschland, noch unterliegen weniger als das doppelte des Grundfreibetrags der Besteuerung in den Niederlanden.

 

Eingestellt am: 30.01.2015