Aktuelles zur Expatriatebesteuerung

Wohnsitzaufgabe bei Eheleuten

Das Finanzgericht München (Urteil v. 29.7.2015 1 K 1016/14) hat in einem Urteil zu einer in der Praxis sehr bedeutsamen Frage zur Wohnsitzaufgabe entschieden: Wird durch einen Wohnsitz eines Ehegatten in Deutschland auch ein Wohnsitz für den anderen Ehegatten begründet bzw. beibehalten?

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde. Ein Arbeitnehmer wurde von seinem Arbeitgeber für drei Jahre ins Ausland abgeordnet und durch seine Ehefrau und seine Kinder begleitet. In dem vor der Abordnung durch die Familie bewohnten Einfamilienhaus wurde zeitweise ein Gästezimmer vermietet. Im Übrigen stand das Haus während des gesamten Abordnungszeitraumes zwar grundsätzlich zur eigenen Nutzung zur Verfügung, wurde aber nur für kürzere Aufenthalte in Deutschland genutzt. Während sich die Ehefrau im Wegzugsjahr rund 30 Tage und in den beiden folgenden Jahren rund 79 und 111 Tage im Einfamilienhaus aufhielt, verweilte der Arbeitnehmer im Wegzugsjahr gar nicht und in den beiden folgenden Jahren an 22 und 26 Tagen im Haus.

Streitig war, ob die Eheleute während der Auslandstätigkeit einen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland innehatten.

Das Finanzgericht hat entschieden, dass die Ehefrau einen steuerlichen Wohnsitz im Inland hatte, der Ehemann jedoch nicht.

In Deutschland besteht ein steuerlicher Wohnsitz, wenn jemand eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Das bedeutet: Zum einen muss über eine Wohnung verfügt werden können. Zum anderen muss die Nutzung über ein gelegentliches Verweilen während unregelmäßiger Zeiträume hinausgehen.

Nach diesen Grundsätzen hatte die Ehefrau einen Wohnsitz in Deutschland. Dies ergibt sich aus den Umständen, dass das zuvor bewohnte Einfamilienhaus weiterhin zur Nutzung zur Verfügung stand und auch tatsächliche durch die Ehefrau in einer über reine Besuchszwecke hinausgehenden Intensität genutzt wurde.

Entgegen einer von der Finanzverwaltung häufig vertretenen Auffassung, kann der steuerliche Wohnsitz der Ehefrau aber nicht dem Ehemann zugerechnet werden. Vielmehr ist die Beurteilung auch bei Eheleuten nach den zuvor dargestellten Grundsätzen für jeden Ehepartner gesondert vorzunehmen. Durch die geringen Aufenthaltstage des Ehemanns kam das Finanzgericht dabei zum Ergebnis, dass das Einfamilienhaus dem Ehemann lediglich zu Besuchszwecken diente. Der Ehemann hatte daher keinen steuerlichen Wohnsitz in Deutschland.

Die Entscheidung gibt wichtige Hinweise für verheiratete Personen, die aus steuerlichen Gründen gerne ihren Wohnsitz in Deutschland aufgeben möchten: Durch einen Wohnsitz eines Ehegatten wird nicht „automatisch“ ein Wohnsitz für den anderen Ehegatten begründet/erhalten. Verlagert sich der Familienwohnsitz ins Ausland ist vielmehr für jeden Ehegatten getrennt zu prüfen, ob (weiterhin) ein steuerlicher Wohnsitz im Inland vorliegt.

Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt (I B 116/15).

Eingestellt am: 19.09.2016